Wie mich die Challenge verändert hat

by Sabrina

Gestern konnte ich meine letzte Tour der #berosawienerhausbergechallenge abhaken. Drei Tage vor Ende der Challenge. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blicke ich auf die letzten drei Monate zurück. Drei Monate die mich veränderten, sowohl physisch als auch psychisch. 

Die #berosawienerhausbergechallenge

Was für eine schwachsinnige Idee. Dieser Gedanke kam mir schon nach der ersten Woche der Challenge. Was habe ich mir bloß dabei gedacht? Ich habe mich übernommen. Gewaltig übernommen. Wie zum Teufel konnte ich je glauben, dass ich in der Lage wäre 52 Touren in nur 96 Tagen zu gehen? Ich war zwar nie unsportlich, aber ich war eher der Typ „Fun-Sportler“. Hauptsache es macht Spaß. Natürlich gab es Zeiten in denen ich ambitionierter war. Zum Beispiel als ich regelmäßig 10-km Wettkämpfe gelaufen bin oder für den Halbmarathon trainiert habe – aber ich habe mich niemals dem Sport komplett verschrieben. Zu Ostern habe ich einen Zwischenbericht verfasst. Ich habe mir den Blogpost vor ein paar Tagen wieder einmal durchgelesen und musste ein wenig schmunzeln… zu dieser Zeit hatte ich ja sowas von keiner Ahnung was noch auf mich zukommen würde.

Körperliche Erschöpfung und psychisch am Ende

Auch wenn es oft nicht so rüberkam… es gab Tage da konnte ich einfach nicht mehr. Weder körperlich noch psychisch. Bin im Auto gesessen am Weg zu meiner nächsten Wanderung und kämpfte gegen Tränen an, habe versucht mich zu beruhigen und mir einzureden, dass es nicht mehr lange ist (und da waren es noch über 20 Wanderungen). Gerade an Tagen an denen das Wetter beschissen war oder ich so müde war, dass ich beim Gehen schon fast eingeschlafen wäre, war es am schlimmsten. Viele Wanderungen bin ich lustlos und regelrecht ausgebrannt abmarschiert.

Einmal bin ich auf nem Gipfel gesessen und habe geheult. Einfach geheult was das Zeug hält. Ich war am Ende. Ich konnte nicht mehr. Weder Gehen noch positiv denken noch Sinn in meinem Vorhaben sehen. Ich spürte nur Erschöpfung. Am liebsten hätte ich mich hingelegt und geschlafen. Geschlafen für 48 Stunden – an Ort und Stelle, bei eiskaltem Wind und Nebel.

Mehr als nur Motivation

Eigentlich wollte ich mir mit dieser Challenge nur die Zeit vertreiben und in Form kommen. Naiv wie ich war, glaubte ich das auch. Aber es war viel mehr. Ende März war die Motivation weg. Wenn man bei eisigen Temperaturen eine langweilige Tour nach der anderen geht, sinkt die Motivation eben mit jedem Schritt.

Und dann kam er: DER EISERNE WILLE – das ist mehr als einfach nur Motivation. Ich kann es schwer mit Worten beschreiben, aber aus dieser Challenge wurde eine Lebensaufgabe. Eine Aufgabe die keine Schwäche zulässt. Versteht mich nicht falsch, Schwäche ist keine Schande – aber mir war klar, dass ich mehr brauche als einfach nur Motivation um diese Challenge zu meistern. Auch wenn es verrückt klingt, aber ich wollte – nein ich MUSSTE diese Challenge schaffen, komme was wolle. Es war ein Kampf gegen mich selbst, ein ständiges Grenzen überschreiten. Ich habe meinen Körper ans Limit gebracht.

Alleine in den letzten zwei Monaten bin ich 330km gegangen und über 21.000 Höhenmeter auf- und abgestiegen.

Du kannst so viel mehr als du denkst

Genau das habe ich mitgenommen. Es ist verrückt wie sich plötzlich alles änderte. Im März bin ich noch in Selbstmitleid versunken, der Gedanke an all die noch ausstehenden Wanderungen machte mich wahnsinnig, die Erschöpfung lähmte mich. Jetzt haben wir Ende Mai und hätte ich mir nicht gestern die Schulter ausgerenkt würde ich nun dasitzen und nach der nächsten Wanderung suchen – eine mit schwierigem Klettersteig und ordentlichen Höhenmetern.

Ich bin wirklich über mich hinausgewachsen. Habe Dinge getan die ich niemals geglaubt hätte zu tun, habe mich durch nichts unterkriegen lassen und blicke nun mit Stolz auf die letzen Monate zurück. Ich habe mich verändert. Ehrgeizig war ich immer schon, ich war auch immer extrem, aber das was ich die letzen drei Monate getan habe, übertrifft alles bisherige.

Schritt für Schritt

Mit jedem Schritt, mit jedem Kilometer, mit jedem Atemzug, mit jedem Höhenmeter und mit jedem Tropfen Schweiß bin ich gewachsen. In den letzen drei Monaten bin ich bei Schnee, Regen, Nebel, -12 Grad und sengender Hitze marschiert. Habe einen Zehennagel verloren, eine nicht heilend wollende Blase an der Ferse über Wochen ertragen, täglich geschwollene Beine gehabt, bin von einer Impfreaktion ausgeknockt worden und habe mir zuletzt die Schulter ausgerenkt. Und trotzdem… nichts davon hielt mich auf die 52 Touren zu gehen. Es ist verrückt und doch wahr –  was ich selbst nicht so recht glauben kann.

Abgesehen von den körperlichen Weh-Wehchen, hat sich meine Psyche in eine Kampfmaschine verwandelt. Oft habe ich alles ausgeblendet und mich nur auf eine Sache konzentriert. GEHEN. Ich habe mal in einer Story erwähnt, dass ich glaube, dass ich beim Wandern womöglich meditiere. Es ist ein regelrechter Flow Zustand – die Umwelt wird ausgeschaltet, ich bekomme nichts mehr mit und plötzlich stehe ich am Gipfel ohne zu wissen wie ich das gerade gemacht habe und dann kommt dieses „Mountain-High“. Dieses mächtige heroische Gefühl. Eine Mischung aus Ehrfurcht und kindlicher Ausgelassenheit. Dieses Gefühl unsterblich zu sein. Danach bin ich nun süchtig.

Die härtesten Touren am Schluss

Bis zum Ende habe ich mir die härtesten Touren aufgehoben – wetter- aber auch strategiebedingt. Mein Körper hat sich verändert. Meine Kondition wurde natürlich immer besser und meine Muskeln stärker. Begonnen habe ich die Challenge mit 48kg, nun wiege ich 53kg. Ob sich dieses Gewicht nur aus Wasseranlagerung in den Beinen zusammensetzt oder ob es tatsächlich muskelbedingt ist, werde ich wohl in den nächsten Tagen sehen (wenn mein Körper sich mal vollständig erholt hat…).

Zu Beginn habe ich zwischen 3 und 4 Wanderungen pro Woche gemacht. Im letzten Monat waren es 5 Wanderungen. Natürlich habe ich mir zu Beginn einfach zu viel Zeit gelassen, bin zu entspannt an die Sache rangegangen. Fünf Wanderungen pro Woche und zwei Tage pro Woche arbeiten – so sah der Mai aus. Keine Zeit mehr sich eine Auszeit zu gönnen. Habe mich mit Echinacin und Zink-Tabletten vor Erkältungen geschützt – eine Erkältung hätte das Aus für die Challenge bedeutet. Nicht krank werden und täglich 120% geben. Und soll ich euch was sagen? Es war als hätte ich zwei Persönlichkeiten. Die eine, die am Abend mit Schal, dicken Wollsocken, Pulli und tropfender Nase dasaß und sich kaum bewegen konnte und die andere, die mit Wanderschuhen an den Füßen nach dem Satz „Ich bin am Ausgang meiner Wanderung angekommen“ sowas wie eine Energiespritze injiziert bekam und 1.000 Höhenmeter marschierte als wäre es ein Spaziergang.

Die tägliche Heilung

Sobald ich losging fühlte ich mich wieder fit und das wusste ich auch. Wandern war meine tägliche Heilung. Ich habe alles ausgeschwitzt – die angehenden Erkältungen, die Erschöpfung, die Versagensängste, die Zweifel – einfach alles. Am Berg war ich gesund und unsterblich.

Die härtesten Touren die ich fast alle am Schluss gemacht habe, waren für mich nicht mehr hart. Ich ging 1.500 Höhenmeter an einem Tag, war am nächsten Tag arbeiten und den darauffolgenden Tag machte ich wieder eine Tour mit knapp 1.200 Höhenmeter. Mein Körper ist auf einem Leistungsniveau wie noch nie zuvor. Die Challenge hat mich geformt.

Die Verluste

Es gibt positive als auch negative Verluste. Was ich definitiv verloren habe, sind die Zweifel an mir. Das Gefühl etwas nicht schaffen zu können habe ich abgelegt. Egal ob es eine schwierige oder lange Tour ist – ich zweifle keine Sekunde mehr daran das schaffen zu können. Auch alleine. Ich war ja immer schon gerne alleine Wandern aber seit der Challenge hat sich auch das nochmal verändert.

Selbst die schwierigsten Touren traue ich mir alleine zu. »Nur wenn ich meine eigene Spur trete, kann ich starke Erfahrungen machen.« dieses Zitat von Reinhold Messner sagt alles. Gestern als ich mir am Schneeberg die Schulter ausgerenkt und sie mir zwei Minuten später wieder selbst eingerenkt habe, wusste ich, dass es zwar eine wirklich unschöne Erfahrung war, aber eine der stärksten die ich jemals gemacht habe. Alleine, auf mich gestellt und meiner Intuition folgend.

Zwischen Mut und Wahnsinn

Während ich die gestrige, letzte Wanderung nach meiner Schulterluxation fertig ging, überkam mich ein Gefühl das ich zuvor nur einmal hatte – das Gefühl sich selbst gerettet zu haben. Das einzige Mal als ich genauso fühlte war als ich letztes Jahr am Göller über ein Schneefeld abstürzte. Gestern schwebte ich natürlich nicht in Lebensgefahr so wie damals, aber dafür konnte ich mich an alles erinnern und wusste, dass ich gerade etwas Außergewöhnliches getan habe. Ich wusste, dass ich soeben eine weitere Grenze überschritten habe. Grenzgängerin oder Verrückte, Mut oder Wahnsinn – es ist der Grat dazwischen auf dem ich nun wandere.

Was ich auch verloren habe, und das ist wohl, für viele und vor allem für die Menschen die mich lieben, ein negativer Verlust: Die Selbstlosigkeit. Ich kann es noch weniger als früher nachvollziehen, wenn sich Menschen um mich sorgen. Das ist natürlich immer wieder ein „Streit-Punkt“ und gerade während der Challenge war es ein ständiges Thema. Was das Wandern/Bergsteigen angeht, lasse ich mir nichts mehr vorschreiben. Ich nehme zwar die Sorgen wahr, aber ich lass mich nicht von meinen Plänen abbringen.

Abgestumpft aber angekommen

Ich bin abgestumpft. Am Anfang war ich oft nervös wenn ich zu meinen Wanderungen aufbrach. Was wird mich erwarten? Schaffe ich es in der geplanten Zeit? Habe ich genug Proviant mit, genug Wasser? Was ist, wenn das Wetter umschwenkt? Werde ich Empfang haben für den Notfall? Kann ich mich wieder verlaufen? Am Ende war ich tiefenentspannt. Es war mir alles so egal. Bei einer der letzten 1.300 Höhenmeter Touren bin ich alleine, mit 700ml Wasser und ohne Proviant aufgebrochen weil ich es einfach vergessen habe. Nicht einmal das brachte mich aus der Ruhe.

Die Berge sind nun mein Zuhause. Und Zuhause fühlt man sich immer gut aufgehoben. Die Schönheit und Ruhe die ich die letzen drei Monate erleben durfte, haben mich abgeholt und geerdet.

Was bleibt…

Was bleibt ist ein unerschütterlicher und grenzwertiger Wille. Ich habe mich oft selbst nicht wiedererkannt. Mich oft gefragt was für nen Knall ich eigentlich habe. Mich wirklich mehr gefühlt wie ein „Viech“ als ein Mensch. Aber ich habe auch verstanden – verstanden, dass wir allesamt verweichlicht sind, dass wir wohl alle nicht mehr wissen wozu wir in der Lage sind. Ansatzweise verstanden wie sich ein Reinhold Messner fühlen muss. Aber vor allem anderen, habe ich verstanden, dass ICH mehr kann als ich mir selbst zutraue. Ich habe verstanden, dass der Kopf den Ton angibt und der Körper ausführt. Dass man Motivation nicht aus dem Boden stampfen kann, dass man, wenn es am härtesten scheint noch lange nicht am Limit ist und dass man genau bei diesem Limit weitermachen muss. Weitermachen bis das nächste Limit kommt und dann erst recht den nächsten Schritt gehen muss. Es hat etwas Selbstzerstörerisches. Man zerbricht die Mauer der höchsten Vorstellungen und Erwartungen an sich selbst und baut neue Mauern auf die man wieder zerbricht. Immer und immer wieder aufs Neue.

Der Anfang etwas viel Größerem

Die Challenge war hart. Sie war aber auch die stärkste Erfahrung die ich in meiner bisherigen „Sportkarriere“ gemacht habe. Sie hat mir eine neue Welt eröffnet. Trotzdem würde ich niemanden empfehlen es mir gleich zu tun. Es war ja auch nicht immer ungefährlich – nicht weil die Touren so anspruchsvoll waren, sondern eher weil ich meine körperliche Erschöpfung ausgeblendet habe. Ich habe es schlichtweg ignoriert, dass mein Körper nicht in der Lage war 100% zu geben. Natürlich wurde es gegen Ende immer leichter, aber nichtsdestotrotz konnte sich mein Körper im letzten Monat gar nicht mehr erholen. Dafür sitze ich nun hier mit über 300km in den Beinen, abgestumpft und mit einer Kondition die jeder Ermüdung trotzt.

In meinem Zwischenbericht der Challenge war der letzte Satz: „Vielleicht ist es am Ende nur ein Eintrag fürs Jahr 2018 – das Jahr in dem ich 52 Touren in 96 Tagen ging. Vielleicht ist es aber auch der Anfang etwas viel Größerem…“

Ich kann nun mit Sicherheit sagen: Es ist der Anfang etwas viel Größerem.

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1 comment

Nina 30. Mai 2018 - 13:31

Meine Heldin ❤️ Deine Worte passen auch gut zu meiner persönlichen Challenge und dem Sumpf in den ich schon seit Monaten stecke… und der Input wieder neue Mauern umzureißen!!! Danke dafür 🙌🏼 Du hast das ganz großartig gemeistert und ich bin gespannt was du noch alles erklimmen wirst 💪🏼 Ich mache mir übrigens keine Sorgen um dich, aber bin immer da falls doch was passiert 🤜🏼🤛🏼

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