Warum essen Veganer veganes Fleisch?

by Sabrina

Jedem Veganer kommen diese, von „Nicht-Veganern“, gestellten Fragen  wahrscheinlich bekannt vor:

„Wieso esst ihr eigentlich diese veganen Ersatzprodukte?“

„Da wollt ihr keine Tiere mehr essen und dann esst ihr Lebensmittel die den Geschmack imitieren sollen?“

„Keine Tiere essen aber zurückgreifen auf Lebensmittel die so aussehen und schmecken sollen wie tierische Produkte? Das verstehe ich nicht!“

„Kannst du mir erklären warum es veganes Fleisch gibt?“ 

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Es stimmt, diese Fragen bekomme ich SEHR oft gestellt  – am Anfang wusste ich eigentlich gar nicht was ich antworten soll. Ich war mir selber gar nicht sicher weshalb auch ich diese Produkte manchmal esse  – also habe ich darüber nachgedacht… Es ist für „Nicht-Veganer“ schwer nachzuvollziehen und auch ich habe am Beginn meiner veganen Ernährung nicht verstanden warum ich sowas essen sollte. Denn es liegt doch klar auf der Hand: Ich will keine toten Tiere essen, keine Lebensmittel zu mir nehmen für die Tiere gequält oder ausgebeutet werden und natürlich will ich auch nichts essen was mich daran erinnert, oder?

Ganz so einfach ist es dann doch nicht!

1. Die Esskultur

Es ist eben so dass die Mehrheit der heutigen Veganer in einer Gesellschaft und Esskultur aufgewachsen sind wo das Schnitzel ein Klassiker am Teller ist oder die sommerlichen Grillabende ohne Steak und Spareribs nicht auskommen. Natürlich kann man sich an solchen Abenden mit Salat begnügen – aber ist es dasselbe? Nein!

Wir leben in einer Kultur in der Essen ein gesellschaftliches Erlebnis ist. Eine Kultur in der Essen NICHT einfach nur den Zweck des Überlebens hat. Auch wenn ich bemerkt habe, dass für mich Essen einen neuen Stellenwert bekommen hat seit ich mich vegan ernähre, heißt das nicht, dass ich manche gesellschaftlichen „Gepflogenheiten“ nicht irgendwie vermisse. Ich vermisse zwar nicht die fetttriefenden Spareribs vom Grill, aber ich vermisse das Erlebnis „Grillen im Sommer“. Sich bei einer Einladung zum Grillen vegane Bratwürstel mitnehmen zu können, macht das Erlebnis „Grillen im Sommer“ wieder erlebenswert – auch für uns Veganer. Natürlich gibt es auch schon einige andere Dinge im veganen Fertigsortiment wie Grillspieße, Grilltofu oder Fallafel die sich gut am Grill machen.

2. Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht…

Hier spielt auch ein wenig Wahrnehmungspsychologie mit, denn ganz ehrlich, in unsere Esskultur haben sich die tierischen Erscheinungsformen manifestiert. Was ich damit meine? Würde jemand ein dreieckiges Schweinsschnitzel essen? Wie würde man solch ein Lebensmittel nennen?

Über solche Dinge macht man sich normalerweise keine Gedanken, weil es auch nicht notwendig ist. Aber versetzt man sich in die Lage der Hersteller solcher Ersatzprodukte, dann steht man wahrscheinlich genau vor solchen Herausforderungen. Wie kann ich ein veganes Produkt erfolgreich am Markt etablieren? Am einfachsten geht es wenn ich den Geschmack, die Konsistenz und das Aussehen meines Produktes so gestalte, dass es ein allseits bekanntes Produkt nachahmt. Hier wären wir auch schon beim veganen Käse, beim veganen Fleisch und der veganen Wurst, bei den veganen Würstel, bei der veganen Creme Fraiche… usw.

3. Die Unfähigkeit zu Kochen

Jetzt stellt sich wieder die Frage WARUM wird das überhaupt produziert? Am liebsten würde ich die Frage mit „Weil die meisten Menschen nicht kochen können“ beantworten. Das wäre aber unfair und trifft sicherlich nicht auf alle Neu-Veganer und auch nicht auf alle Nicht-Veganer zu. Trotzdem glaube ich, dass es heutzutage leider zu viele, vor allem junge Menschen gibt, die nicht viel mit Kochen am Hut haben. Natürlich ist es für genau solche Menschen ein Segen – Menschen die sich auch schon in ihrer nicht veganen Zeit ihr Schnitzel fix fertig aus der Tiefkühlung geholt haben – sich jetzt einfach die vegane Alternative in den Einkaufswagen zu legen.

Bei uns zuhause war es selbstverständlich zu kochen – zum Teil auch weil ich in einer Gastronomie-Familie aufgewachsen bin – aber ich weiß, dass dies gerade heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Alleine schon wenn ich einen Blick in andere Einkaufswagen werfe oder mir das wachsende Sortiment von Fertiggerichten in Supermärkten ansehe.

Ist es dann also verwunderlich wenn es auch vegane Fertiggerichte gibt?

Ein weiterer Aspekt, der auch für kochfreudige Veganer seine Gültigkeit hat: es geht einfach schnell. Manchmal ist es auch für mich angenehm mal schnell ein „Geschnetzeltes“ in die Pfanne oder „Vleischknödel“ in den Topf zu schmeißen.

4. Die fehlende Kreativität Alternativen zu finden

„Was genau isst du denn so?“ – Eine Frage die mir auch oft gestellt wird. Eine ziemlich Doofe, wie ich finde… „Pflanzen ;-)“ ist meine bevorzugte Antwort aber ich frag doch auch keinen Omnivoren „Was genau isst du denn so?“ Sagt er dann Fleisch?

Die meisten Menschen denken an ihre „Alltagsmahlzeiten“ die meist sehr einseitig und ungesund ausfallen. Dort finden sich Speisen wie: Wurstsalat, Burger, Käsebrot, Joghurt etc.. Dinge die schnell und ohne viel Aufwand zubereitet werden können. Die Wurstsemmel ist in unserer Kultur eben eine ganz „normale“ Zwischenmahlzeit. Ein Veganer der also eine Wurstsemmel mit veganer Wurst zwischendurch verspeist, trauert nicht der Wurst nach, sondern weiß vielleicht einfach nicht was es für eine gleichwertige Alternative zur Wurstsemmel gibt. Wenn man mit bestimmten Dingen aufwächst, damit überall konfrontiert wird, nicht viel mit Kochen am Hut hat und sich nie sonderlich mit dem Thema Ernährung auseinander gesetzt hat, hat einfach keine Alternative zu Wurst und Käse im Repertoire.

Ich finde zwar nicht, dass eine Wurstsemmel – egal ob vegan oder nicht vegan – eine ausgewogene Zwischenmahlzeit darstellt, ich setze mich aber auch ständig mit dem Thema Ernährung auseinander. Was man jedoch nicht von allen Menschen verlangen oder gar bei allen Menschen voraussetzen kann. Vielen fehlt einfach die Kreativität sich eine neue, bessere und gesündere Alternative zur Wurstsemmel zu finden.

Gut für die vegane Wurst – schlecht für das sowieso schon umstrittene Image von Veganer.

5. Das Lieblingsessen gibt es nicht mehr

Wann wird eine Speise zum Lieblingsessen? Wahrscheinlich schon in der Kindheit, und was lieben Kinder? Spaghetti, Pizza und Burger. Ich weiß das ist jetzt sehr plakativ. Aber wenn man sich beginnt vegan zu ernähren kommen einem solche Gedanken wie „Wow, ich werde jetzt nie wieder Pizza essen…“ Gut dass es mittlerweile veganen Pizzakäse gibt, oder? Manche Ersatzprodukte sind eben genau als solche zu verstehen. Sie ersetzen den tierischen Teil im Lieblingsessen.

Das hat meiner Meinung nach auch gar nichts mit „Heuchelei“ im Sinne von „vegan ernähren und dann doch was essen was dem tierischen Produkt ähnelt…“ zu tun. Es ist vielmehr ein „zur Pizza gehört doch Käse“ Ding. Wir haben Pizza so kennen und lieben gelernt – also warum darauf verzichten wenn wir Pizza noch immer mit Käse essen können? Manche Gericht haben sich in unserem Geschmacksgedächtnis so manifestiert, dass wir sie anders auch gar nicht mögen.

Und wenn wir uns ehrlich sind, schmecken die meisten tierische Lebensmittel gut (natürlich liegt das an der Zubereitung und am hohen Fettgehalt der den Geschmack bindet). Die wenigsten Veganer werden vegan weil sie sagen: „Tierische Lebensmittel schmecken mir nicht!“

6. Es geht um die eigenen Gesundheit

Die Fleischskandale mehren sich, Eier von glücklichen Hühnern sind ein Mythos und der Fisch ist verseucht. Da ist es für viele mittlerweile eine Frage der Gesundheit sich von tierischen Lebensmitteln zu distanzieren. Solchen „Gesundheits-Veganern“ ist es vermutlich egal ob ihr Essen nach Fleisch aussieht oder auch so schmeckt – Hauptsache es ist keines. Liegt also klar auf der Hand warum veganes Fleisch konsumiert wird. Wenn man keinerlei ethisch-moralische Motivation hat sich vegan zu ernähren, braucht man sich auch nicht rechtfertigen oder erklären wenn man veganes Fleisch ist.

7. Das leidige Thema: Eiweißzufuhr

Vorab sei gesagt: Der menschliche Körper braucht KEINE 20-30% Eiweiß am Tag – ein Mythos unserer Zeit… Genauso wie Kohlenhydrate machen dick… aber das ist ein anderes Thema.

Da allgemein die Ansicht vertreten wird, dass der Mensch unbedingt Eiweiß (bevorzugt durch Fleisch, Eier, Käse und Milch) zu sich nehmen muss, stehen viele Veganer vor der Frage: Woher bekomme ich jetzt bloß mein Eiweiß? Diese Frage stellen sich vor allem diejenigen die sich wenig mit Nahrung und deren Verstoffwechselung im Körper auseinandersetzen – also eigentlich die Mehrheit. Wenn man sich die Nährwerttabellen der veganen Ersatzprodukte ansieht merkt man, dass nicht nur das Aussehen tierischen Produkten ähnelt, sondern auch die Nährwerte.

Wer also die Überzeugung teilt, Eiweiß sei essentiell, ist mit dem veganen Fleisch bestens bedient. Die meisten Ersatzprodukte enthalten sogar mehr Eiweiß als so manches tierische Produkt.

Meine persönliche Meinung

Ich habe nun einige Gründe aufgezählt warum Veganer fleischähnliche Ersatzprodukte essen – warum ICH sie ab und zu esse? Weil ich einfach ab und zu faul bin. Manchmal habe ich keine Lust zu kochen, manchmal muss es super schnell gehen –PUNKT– Ich esse es weder weil ich den Fleischgeschmack vermisse noch weil ich der Meinung bin ich bräuchte eine extra Portion Eiweiß.

Was ich davon halte? Ich finde es gut, dass sich kommerzielle Hersteller auch mit dem Thema der veganen Ernährung auseinandersetzen. Die pflanzliche Ernährung bekommt so viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt, was ich wichtig finde. Was ich bedenklich finde ist, dass diese Ersatzprodukte zu einer einseitigen Ernährung verleiten. Prinzipiell ist eine rein pflanzliche Ernährung viel gesünder ABER wer sich ausschließlich von Ersatzprodukten ernährt, ernährt sich vielleicht noch ungesünder als vor dem Umstieg auf eine rein pflanzliche Kost.

Es gibt eine einfache aber immer gültige Regel: Je weniger ein Lebensmittel verarbeitet wird, umso gesünder ist es.

 

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2 comments

Nele 6. August 2016 - 8:02

Super Beitrag, vielen Dank! Den werde ich gleich mal meiner Familie zum lesen geben, denn die Diskussion um vegane Schnitzel und Co. gibt es bei und häufiger. Ich esse diese Produkte zwar sehr selten, so wie du, trotzdem fragen alle, wieso es unbedingt „veganes Schnitzel“ heißen muss.

Reply
Sabrina 17. August 2016 - 8:19

Hallo Nele,

ach das freut mich wahnsinnig, dass dir der Beitrag gefallen hat – vielen vielen Dank 🙂 und genau wegen solcher Diskussionen ist dieser Beitrag auch entstanden 😉

Liebe Grüße,

Sabrina

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