Persönliche Stärken und die Sache mit den Schwächen

by Sabrina

„Was würden Sie zu ihren persönlichen Stärken und Schwächen zählen?“ Wer diesen Satz schon einmal unvorbereitet bei einem Vorstellungsgespräch zu hören bekam, musste vermutlich erst schlucken… zumindest ging es mir beim ersten Mal so. Die persönlichen Schwächen zu benennen ist nicht ganz so schwer, aber die persönlichen Stärken? Was sind überhaupt persönliche Stärken? Was sind MEINE Stärken? Genau das möchte ich dir in dieser Beitragsreihe beantworten. 

Warum kann ich sofort meine persönlichen Schwächen nennen

nicht aber meine persönlichen Stärken? Wenn es dir genauso geht, kann ich dir ein paar Gründe nennen:

  1. Wir sind in einer Kultur aufgewachsen in der Schwächen stärken eine gängige Praxis ist. Du bist ein unpünktlicher Mensch? Dann arbeitest du daran diese Schwäche auszumerzen – denn in unserer Kultur gehört Unpünktlichkeit nicht zum guten Ton. Es ist oft eine gewisse soziale Norm die uns dazu zwingt unseren Schwächen mehr Beachtung zu schenken. Natürlich ist Unpünktlichkeit nur eines von vielen Beispielen… denke doch an: Feigheit, Arroganz, Tollpatschigkeit, Ungeduld…
  2. Was mich auch schon zum nächsten Punkt bringt: Unsere Gesellschaft gehört leider keiner „wir geben positives Feedback“ – Kultur an. Wenn man bei uns eines kann, dann dem anderen aufzeigen wo seine Grenzen, Fehler und Unzulänglichkeiten zu finden sind. Woher sollen wir dann bitte wissen was unsere Stärken sind wenn uns von Kindheitstagen nur die eigenen Schwächen aufgezeigt werden?
  3. Ein sehr kulturübergreifender Grund für die Fokussierung auf die eigenen Schwächen ist in der Evolutionstheorie verwurzelt. Sich nicht auf Gefahren oder Probleme (auch hinsichtlich der eigenen Fähigkeiten) zu konzentrieren konnte über Leben und Tod entscheiden. Du bist tollpatschig? Tja, wenn der Säbelzahntiger vor dir steht und du nur durch einen gelenkigen Sprung in ein kleines Erdloch mit dem Leben davonkommen kannst, stehen deine Chancen wohl schlecht… vor 10 Mio. Jahren hättest du wahrscheinlich alles daran gesetzt deine Tollpatschigkeit in den Griff zu bekommen – aber wie wichtig ist es heute?
  4. Wie gerade erwähnt, ist es für uns Menschen irgendwie ja genetisch bedingt uns auf die Schwächen zu fokussieren. Probleme scheinen immer dringlicher. Aber welche Auswirkungen hat das am Ende? Vielleicht ist die Tollpatschigkeit der Grund, warum du manche Dinge gar nicht versucht – „Ich muss erst meine Tollpatschigkeit unter Kontrolle bringen bevor ich das mache!“ Aber vielleicht ist in diesem Ding, dem du aufgrund deiner persönlichen Schwäche gar keine Chance gibst, eine wunderbare persönliche Stärke versteckt?

Wie finde ich meine persönlichen Stärken heraus?

Wenn es darum geht in einem Vorstellungsgespräch seine persönlichen Stärken aufzuzählen, kann man sich an Stärken orientieren die allgemein in der Arbeitswelt wünschenswert sind wie z.B. Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Flexibilität, Loyalität, Teamfähigkeit…  Noch ein paar Beispiele aufzählen in denen man diese Stärken erfolgreich einsetzte und das Vorstellungsgespräch ist einwandfrei gelaufen.

Aber wie sieht es mit nicht-arbeitsbezogenen Stärken aus?

Wenn dich das interessiert, dann solltest du die Beitragsreihe unbedingt weiterverfolgen – ich werde nämlich nächsten Sonntag beginnen über Charakterstärken zu schreiben. 

Fürs erste habe ich aber eine kleine Aufgabe für dich bei der du dich ein wenig an deine eigenen Stärken herantasten kannst.

 

  • Erinnere dich an eine Situation bei der du so richtig stolz auf dich warst. Das kann einfach alles sein – es sind hier keine Grenzen gesetzt. Und nun versuche sie kurz, prägnant und unbeteiligt zu erzählen.
  • Danach analysiere die Situation und probiere herauszufinden welche deiner persönlichen Stärken beteiligt waren.

 

Um dir ein Beispiel zu geben wie das aussehen kann, erzähle ich dir von einer Situation, in der ich stolz auf mich war (wer mir auf Snapchat folgt, kennt die Story bereits 😉 ):

 

Auf der Autobahn war ein leicht erhöhtes Verkehrsaufkommen. Ich bremste mein Auto deshalb ab – als ich wieder Gas geben wollte kam plötzlich eine schwarze Rauchwolke aus meinem Auspuff und mein Auto gab auf zweiter Spur den Geist auf. Ich schaltete die Warnblinkanlage ein und rollte auf den Pannenstreifen. Ich startete den Wagen erneut und fuhr mit geringer Geschwindigkeit auf erster Spur weiter. 

 

Das klingt wahrscheinlich nicht besonders aufregend für dich! Aber ich war unglaublich stolz auf mich weil ich einige meiner persönlichen Stärken einsetzen konnte:

  1. Ich bin ruhig geblieben und konnte dadurch korrekt reagieren – meine Stärke: Selbstregulation von Emotionen (natürlich war ich ein wenig panisch, aber ich konnte die Anzeichen erkennen und reagierte bevor ich Opfer einer Panikattacke mitten auf der Autobahn wurde)
  2. Ich habe die anderen Verkehrsteilnehmer im Auge behalten um mit meiner Panne keine Gefahr für andere zu werden – meine Stärke: Umsicht (zumindest in diesem Fall … *haha* sonst zähle ich das eher zu meinen Schwächen)
  3. Ich tippte auf einen kaputten Turbolader und wusste, wenn der Wagen nochmal anspringt, kann ich weiterfahren solange ich nicht über 3.000 Touren komme – meine Stärke: Neugier, Interesse, Liebe zum Lernen (das sind Stärken die mich wahrscheinlich am meisten ausmachen… ich stürze mich sofort auf Neues, ich liebe es mir Dinge beizubringen und zu lernen – so wie in diesem Fall eben über Autos… *haha*)
  4. Ich habe auf mein Wissen vertraut und meiner Überzeugung nach gehandelt – meine Stärke: Selbstvertrauen und Tapferkeit

 

Es ist eigentlich gar nicht schwer sogar in Alltagssituationen seine persönlichen Stärken herauszufinden, wenn man weiß wonach man suchen muss.

Kannst du dich spontan an eine Situation erinnern in der du stolz auf dich warst? Vielleicht magst du sie ja mit mir teilen – es ist wunderbar über Stärken zu sprechen! Ich finde das machen wir sowieso alle zu selten…

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2 comments

Paula 26. Juni 2016 - 9:49

Schöner Beitrag, Sabrina, die Reihe werd ich auf jeden Fall verfolgen!
Ich hatte gerade letzte Woche ein passendes Gespräch mit meinem Mitbewohner zu diesem Thema – wir sprachen über meine derzeitige Situation als Physio-Schülerin im Krankenhaus und er sagte: „Du bist also einfach zu schwach, um dem standzuhalten“ und ich war total überrannt und verwirrt – denn für mich ist es eine absolute Stärke, dass ich a) Emotionen anderer Menschen weitaus stärker wahr- und aufnehme als andere und b) in diesem Praktikum das erste Mal Rücksicht genau darauf nehme und mir deshalb mehr Ruhe & Zeit erlaube.
Also nur – Stärken sind eben auch ein sehr subjektives Empfinden und situationsabhängig. Mein Mitbewohner findet meine Hochsensibilität schwach, ich finde sie und meinen Umgang damit stark (nur eben nicht passend für diesen Beruf :D).
Lieben Gruß
Paula

Reply
Sabrina 10. Juli 2016 - 3:28

Danke liebe Paula 🙂 Ja, da gebe ich dir natürlich recht! Aber man muss trotz der Situationsabhängigkeit sagen, dass es schon globale Stärken gibt… Ich würde auch gar nicht sagen, dass man diese Stärke als Hochsensibilität bezeichnen sollte – sondern eher als emotionale Intelligenz! Und die ist durchaus eine Stärke! 😀 Ich finde auch, dass emotionale Intelligenz in jedem Beruf passend ist. Vielleicht musst du einfach noch lernen wie du sie passend dosierst. Ich habe das in meinen Praktika und meiner Arbeit im Krankenhaus auch gemerkt – es braucht eben ein bisschen Selbstreflexion und Zeit bis man für sich selbst herausgefunden hat wie man und in welchem Ausmaß man sich darauf einlässt.

Ich hoffe du lässt dich nicht von deinem Mitbewohner verunsichern! Ich bin mir sicher du machst das sehr gut!

Liebe Grüße,
Sabrina

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